Interview originally published on leibniz-gemeinschaft.de  written by Christoph Herbort-von Loeper.

**  English version below **

Künstliche Intelligenz füttert natürliche Gehirne

Der Leibniz-Forscher Daniele Di Mitri bewirbt sich als KI-Newcomer 2021. Stimmen Sie für ihn ab! 17.02.2021

Wie kann Künstliche Intelligenz in der Bildung eingesetzt werden? Damit beschäftigt sich Daniele Di Mitri am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Ein Gespräch über Lernen auf Distanz, digitalen Unterricht über Videokonferenzen hinaus und warum wir Künstliche Intelligenz nicht nur dafür nutzen sollten, uns die passenden Filme oder Werbung anzeigen zu lassen.

Daniele Di Mitri bewirbt sich aktuell als KI-Newcomer 2021, einer Aktion der Gesellschaft für Informatik. Hier können Sie bis zum 7. März für ihn abstimmen: http://kicamp.org/en/ai-newcomers

Digitalisierung in der Bildung ist gerade in der Pandemie ein heiß diskutiertes Thema. Dabei geht es eher um die Überwindung räumlicher Distanz. Ihr Forschungsbereich Künstliche Intelligenz wird dabei kaum diskutiert, warum?
Daniele Di Mitri: Die Debatte ist sehr stark auf die Überwindung räumlicher Entfernung fokussiert und das Distanzlernen oft auf recht einfache Formen des digitalen Unterrichts beschränkt, wo die Schüler als überwiegend passive Zuschauer einer Videokonferenz folgen. Bevor wir über Künstliche Intelligenz in der Bildungspraxis reden, sollten die Potenziale der digitalen Bildung im Distanz- oder Wechselunterricht besser ausgeschöpft werden, etwa mit kollaborativen Online-Formaten, der Nutzung von e-learning-Plattformen oder auch asynchrone Diskussionen über Online-Foren.

Wo sehen Sie realistische Anwendungsszenarien zwischen Grundschule und beruflicher Weiterbildung?
Daniele Di Mitri: Ironischerweise wird KI in der Bildung bislang nur dafür genutzt, um Plagiate aufzuspüren, dabei gibt es so viele produktivere Möglichkeiten. KI kann Lehrer dabei unterstützen, relevante Quellen für ihren Unterricht zu finden, Chatbots können sowohl zur Beantwortung von Fragen als auch zum Abrufen von Informationen sowie zur Unterstützung des Wohlbefindens der Schüler verwendet werden. Denkbar sind auch automatische Zusammenfassungen von Inhalten, das Umwandeln von Text in Lern-Podcasts, die räumlich flexibel gehört werden können oder grundlegende Korrekturen von Essays in Fragen von Rechtschreibung und Grammatik. Noch etwas weiter in die Zukunft blickend, kann ich mir intelligente Tutorensysteme vorstellen, die sich an das Lernniveau anpassen und so individuell maßgeschneiderte Aufgaben und Feedback etwa in Mathe oder Statistik liefern.

KI in der Schule – das dürfte bei vielen Eltern Horrorvorstellungen hervorrufen. Können Sie sie beruhigen?
Daniele Di Mitri: Ich kann Ängste durchaus verstehen, die mit neuen Technologien zusammenhängen. Auch bei der Einführung des Fernsehens befürchteten viele Menschen das Ende der Bildung. Es ist aber doch so, dass wir schon heute viele KI-basierte Anwendungen ganz selbstverständlich nutzen, wenn wir etwa bei Netflix oder Spotify individuell passende Programme vorgeschlagen bekommen, oder Siri, Alexa und Co. verwenden. Natürlich gibt es Negativbeispiele etwa für Datenmissbrauch – neue Technologien haben immer positive und negative Effekte ‑ und Datenschutz muss ein wichtiger Faktor sein, aber andererseits: Warum nutzen wir die Möglichkeiten der KI nicht für etwas Sinnvolleres als Werbung? Ausschlaggebend für unsere Beurteilung sollten die pädagogischen Konzepte sein, die wir mit KI unterstützen.

Viele Schulen in Deutschland stoßen schon mit Distanzlernen an ihre (technischen) Grenzen. Wie realistisch ist die praktische Implementierung von KI?
Daniele Di Mitri: Die Schulen – Lehrende und Schüler – wurden durch die Corona-Pandemie mit einer riesigen Herausforderung konfrontiert, die die bisherigen Unterrichtsformen fast von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen haben. Ich mache den Lehrerinnen und Lehrern deswegen überhaupt keine Vorwürfe, wenn es um den Zustand der digitalen Bildung geht. Sie tun wirklich alles, was sie können, um mit der Situation umzugehen. Wir brauchen – völlig unabhängig von KI – nicht nur in Deutschland ein umfassendes Konzept für eine digitale Lerninfrastruktur: funktionierende Lernmanagementsysteme, sichere Cloud-Speicher für Lehrende und Lernende, E-Mailadressen für alle Schülerinnen und Schüler für eine sichere Kommunikation, einen Verzicht auf nicht verifizierte Apps, um ihre Daten zu schützen sowie deutlich mehr IT-Experten in den Schulen. In der Wirtschaft rechnet man grob mit einem IT-Experten pro 30 Beschäftigte; das hieße für Schulen ein IT-Experte pro Klasse.

Wo wollen Sie in zehn Jahren mit Ihrer Forschung stehen?
Daniele Di Mitri: Die Entwicklung der KI geht so schnell voran, dass wir in zehn Jahren vermutlich Möglichkeiten haben werden, die wir uns heute kaum vorstellen können. Ich erwarte vor allem, dass hybride Systeme, wo Mensch und Maschine zusammenarbeiten, sich deutlich mehr verbreitet haben. Meine Hoffnung ist, dass wir empirische Daten dafür gesammelt haben, um die Politik zu beraten, wo KI in der Bildung sinnvoll eingesetzt werden kann. Multi-modale Tutoren, die auch durch den Einsatz von Virtual Reality eine Hilfestellung beim Erlernen praktischer, nicht nur theoretischer Fertigkeiten leisten können. Es gibt aber sowohl auf technischer wie pädagogischer Seite noch viele offene Forschungsfragen. Etwa wie das Feedback der KI auf die Lernenden aussehen sollte: Soll sie zum Beispiel Fehler zulassen, aus denen man lernen kann oder schon vorher unterbrechen? Zu diesen Aspekten möchte ich gerne wissenschaftlich beitragen.

Daniele Di Mitri stammt aus Bari in Italien. Als Sohn einer Lehrerin und eines Software-Entwicklers wurde früh der Grundstein für sein heutiges Forschungsgebiet gelegt: Bildung und Technologie. Mit 19 gründete er eine Webentwicklungsfirma und begann ein Informatikstudium. Nach einem Master in Künstlicher Intelligenz in den Niederlanden, folgte eine Beschäftigung in der Forschungsabteilung von IBM und die Promotion zum Thema Multimodale Tutoren. Seit 2020 ist Daniele Di Mitri Gruppenleiter im Arbeitsbereich Educational Technologies des DIPF.

 

** English version **

Artificial intelligence feeds natural brains

Leibniz researcher Daniele Di Mitri is applying to be an AI Newcomer 2021. Give him your vote!

How can Artificial Intelligence be used in education? Daniele Di Mitri is working on this at the DIPF I Leibniz Institute for Research and Information in Education. An interview about distance learning, digital teaching beyond video conferences and why we should not only use Artificial Intelligence to display suitable films or advertisements.

Daniele Di Mitri is currently applying as an AI Newcomer 2021, called by the German Informatics Society. You can vote for him until March 7th at http://kicamp.org/en/ai-newcomers.

Leibniz: Digitisation in education is a hotly debated topic, especially in the pandemic. But the discussion is more about overcoming spatial distance and your field of research, Artificial Intelligence (AI), is rarely discussed – why?
Daniele Di Mitri: The debate is very much focused on overcoming physical distance. Distance learning is often limited to fairly simple forms of digital teaching, where students follow a video conference as mostly passive viewers. Before we talk about AI in educational practice, the potentials of digital education should be better exploited in distance or blended learning, such as with collaborative online formats, the use of e-learning platforms or asynchronous discussions via online forums.

Where do you see realistic application scenarios between elementary school and professional development?
Ironically, AI is only widely used in educational contexts to track down plagiarism, and there are so many more productive ways. AI can help teachers to find relevant sources for their lessons, chatbots can be used for both for question answering and for retrieving information, as well as support for the well-being of learners in general. Automatic summaries of content, the conversion of text into learning podcasts that can be listened to in a flexible manner, or basic corrections of essays on questions of spelling and grammar are also conceivable. Looking a little further into the future, I can imagine intelligent tutor systems that adapt to the level of learning and thus provide individually adapted tasks and feedback, for example in math or statistics.

AI in school – that is likely to create horror in many parents. Can you reassure them?
I can understand such fears related to new technologies. Even with the introduction of television, many people had feared the end of education. It is, however, the case that we already use many AI-based applications, for example when we get suggested content from Netflix or Spotify, or use Siri, Alexa and Co. Of course there are negative examples of data misuse – new technologies always have positive and negative effects and data protection must be an important factor, but on the other hand: Why don’t we use the possibilities of AI for something more meaningful than advertising? The pedagogical concepts that we support with AI should be decisive for our assessment.

Many schools in Germany already reach their (technical) limits with distance learning. How realistic is it in practical implementation?
Schools – teachers and students – were confronted with a huge challenge by the corona pandemic, which has thrown the previous forms of teaching almost all over the place. I don’t blame the teachers at all for this when it comes to the state of digital education. They are really doing everything they can to deal with the situation. We need – completely independent of AI – a comprehensive concept for a digital learning infrastructure to tackle digital divide not only in Germany: functioning learning management systems, secure cloud storage available for teachers and learners, e-mail addresses for all students for secure communication, a waiver of non-verified apps to protect their data and significantly more IT Experts in schools. In the economy, roughly one IT expert is expected for every 30 employees; for schools that would mean one IT expert per class.

Where do you want to be with your research in ten years?
The development of AI is proceeding so quickly that in ten years we will probably have possibilities that we can hardly imagine today. Above all, I expect that hybrid systems, where humans and machines collaborate, have become much more widespread. My hope is that we have collected empirical data to advise governments and policymakers on where AI can be meaningfully used in education. Multi-modal tutors who can also provide assistance in practical learning, not just theoretical skills, by the use of Virtual Reality. However, there are still many open research questions, both on the technical and pedagogical side, e.g. how should the AI’s feedback on the learners look like, should it, for example, allow mistakes from which one can learn or interrupt beforehand? I would like to contribute scientifically to these aspects.

Daniele Di Mitri originates from Bari in Italy. As the son of a teacher and a software developer, the foundation for his current field of research was laid early on: Education and Technology. At 19, he founded a web development company and began studying computer science. After a Master’s degree in Artificial Intelligence in the Netherlands, employment in the research department of IBM and a doctorate on the topic of multimodal tutors followed. Since 2020, Daniele Di Mitri has been a group leader in the Educational Technologies department of the DIPF.

 

written by Christoph Herbort-von Loeper (c) leibniz-gemeinschaft.de